Eine Verwandlung durch Illusion

Michelle Russi, Bündner Tagblatt, September 3, 2016

Die Galerie Soon in Zürich zeigt derzeit Werke der beiden Bündner Künstler Sven Egert und Gianin Conrad zum Thema «Metamorph». Worum es bei der Ausstellung geht, hat das BT bei einem Besuch vor Ort erfahren.

 

Mir persönlich gefällt vor allem das Verspielte auf einer zweiten Ebene», erzählt Fabian Schmid, Mit- inhaber der Galerie Soon in Zürich, auf einem Rundgang durch die neue Ausstellung «Metamorph». Was der junge Galerist meint, wird bei nähe- rer Betrachtung der gezeigten Wer- ke deutlich. Da wären zum Beispiel die grossformatigen Bilder von Sven Egert, die auf den ersten Blick klare, abstrakte Formen und ausgewählte Farbkombinationen aufweisen. «Sie wirken zunächst sehr dekora- tiv», bringt es Schmid auf den Punkt. Wer die Werke des Bündner Künstlers jedoch intensiver stu- diert, erkennt darin die unter- schiedlichsten Dinge: eine Bergspit- ze etwa, ein Ungeheuer oder den Kopf eines Kindes. Das «Verspielte» ergibt sich also aus der individuel- len Auseinandersetzung des Be- trachters mit dem jeweiligen Werk.

Gleichzeitig ist es die spezielle Technik – Egert legte für seine Bilder mehrere Farbflächen und verschie- dene Texturen zu einer Collage übereinander –, die eine Art Tiefen- wirkung erzeugt und so zur opti- schen Illusion beiträgt. «Egerts Werke regen die Fantasie und Krea- tivität ihrer Betrachter an», erläu- tert Schmid und ergänzt, dass die Bilder letztlich und dem Thema der Ausstellung entsprechend stets eine Form von Verwandlung the- matisieren würden.

Geteilte Interessen der Künstler

«Metamorph» ist nicht die erste Zu- sammenarbeit der Galerie Soon mit

Befreundete Künstler mit einer gemeinsamen Faszination für Verwandlung: Sven Egert entwarf Bilder, Gianin Conrad Tonfiguren und -skulpturen für ihre Ausstellung «Metamorph».

Sven Egert. «Uns gefällt sein grosser Wiedererkennungswert, die Quali- tät seiner Werke, und dass er seiner Sache treu bleibt», nennt Schmid die Gründe für die mittlerweile drit- te Ausstellung mit dem gebürtigen Churer, der in diesem Jahr den Kul- turförderpreis des Kantons Grau- bünden entgegennehmen konnte.

Auf Egerts Vorschlag hin holten die Galeristen Fabian Schmid und Andrej Malogajski mit Gianin Con- rad einen zweiten Bündner Künstler ins Boot. «Wir kannten Conrad zu- vor nicht, finden aber, dass die bei- den gut harmonieren.»

Diese Ansicht teilt auch Conrad selbst. Wie der Churer Bildhauer und Plastiker gegenüber dem BT erzählt, kennen sich Egert und er schon länger und wissen, welche Interessen sie als Künstler teilen. «Metamorph» sei so eines, sagt Conrad und erklärt: «Es geht darum, wie Dinge und Materia- lien zu etwas anderem werden, und – speziell in meinem Fall – um die Frage, wann eine Form als etwas wahrgenommen wird und wann nicht.»

Für die Schau mit Künstlerkolle- ge Egert hat Conrad das Thema der Verwandlung in seinen Skulpturen und plastischen Installationen auf- gegriffen. Bei den meisten Expona- ten steht der Prozess des Schaffens im Vordergrund. Gemäss Galerist Schmid erwecken manche Skulptu- ren den Eindruck, erst in Entste- hung zu sein. Ein Werk beispiels- weise zeigt einen Tonblock mit einem darüber liegenden gelben Waschlappen, der die scheinbar un- fertige Skulptur gewissermassen feucht halten soll. Schmid nennt es «eine Verwandlung durch Illusion».

Bündner mit «Gütesigel»

Dass derartige Illusionen faszinie- rend auf die Austellungsbesuche- rinnen und -besucher wirken kön- nen, weiss Schmid spätestens seit der Vernissage. Am selben Abend,

so erzählt der Kunstkenner, habe eine Frau mit ihren drei Kindern die Galerie betreten und die Kleinen hätten sogleich damit begonnen, in Egerts Bildern und Conrads Tonfi- guren Dinge zu suchen – ähnlich wie beim Wolkenschauen.

Wie aber beurteilt der Galerie- Mitinhaber die Wahrnehmung von Bündner Künstlern in Zürich gene- rell? «Rein subjektiv gesehen würde ich sagen, dass Bündnerinnen und Bündner grundsätzlich gut in Zü- rich ankommen und dies wohl auch bei Kunstschaffenden der Fall ist.» Zudem hätten Bündner Künstler dank grossen Namen wie Segantini oder Giacometti eine Art «Gütesi- gel», auch wenn sie nur wenig oder gar nicht von diesen beeinflusst sei- en.

Auch Bildhauer Conrad glaubt, dass Künstler aus Graubünden durchaus in Zürich wahrgenom- men werden. «Das bezeugen jünge- re und ältere Beispiele von Kunst- schaffenden aus dem Kanton», be- tont der 37-Jährige. Allerdings kön- ne er die Art und Weise dieser Wahr- nehmung nicht beurteilen.

Die Ausstellung «Metamorph» läuft noch bis zum 17. September 2016. Öffnungszeiten: Samstag von
12 bis 18 Uhr oder jederzeit auf Anfrage. www.galerie-soon.ch